Faire Preise

Faire Preise?!

Monia

Von Monia

monias.org

Wir haben zwei Ansprüche: Wir möcht­en, dass alle Men­schen Zugang zu unseren Ange­boten haben; und dass unsere Dozent:innen fair bezahlt werden.

Wir sind davon ausgegangen, dass diese Interessen viele Organisationen einen und dass wir ganz viele mögliche Ansätze dafür finden, wie man dieses scheinbare Dilemma auflöst. Schließlich ist das ja das Wirtschaftssystem, an dem wir kollektiv Interesse haben: ein System, das niemanden ausschließt und das gerechte Gehälter ermöglicht. Zu unserer Überraschung werden diese beiden Diskurse jedoch zumeist getrennt geführt – wennauch oftmals von denselben Menschen. Auch in unseren Netzwerken waren alle bis auf Hinweise auf Pay Forward Systeme oder ähnliches eher ratlos, bis auf eine Empfehlung, mit der Green Bottles Sliding Scale von Alexis J. Cunningfolk zu arbeiten. Wir haben uns sogar mit ChatGPT dazu unterhalten. Die Empfehlung: wir sollten Finanzierung über öffentliche Förderung akquirieren und Wertschätzung ernstnehmen: „Wertschätzung: Wenn Bildung als wertvolles Gut betrachtet wird, können die Honorare und Gehälter angemessen sein. Es sollte erkannt werden, dass Lehrkräfte und Dozenten wichtige Arbeit leisten und ihre Arbeit entsprechend wertgeschätzt werden sollte.“

Wir haben viele Ideen gewälzt und sind oftmals an unsere Grenzen gestoßen. Wir glauben nicht, dass öffentliche Gelder in Bewusstseinsseminare fließen werden und sehen auch die öffentliche Hand in erster Linie in Verantwortung für Schulen und Hochschulen. Für einzelne Angebote werden wir sicher Förderung finden, jedoch nicht für alle. Wir haben festgestellt, dass wir nicht Menschen mit Zugang zu vielen finanziellen Ressourcen gesellschaftlich die Macht darüber geben möchten, wer Zugang zu Bewusstseinserweiterung hat und wer nicht. Uns fallen jedoch auch keine Kriterien ein, keine Regeln für ein gerechtes System, das darüber entscheiden könnte, wer Stipendien erhält und wer nicht. Und dass Menschen durch Arbeit „bezahlen“ und nur so halb dabei sind, weil sie zwischendurch kochen oder aufräumen, erscheint uns alles andere als eine gute Lösung, eher als eine Karrikatur der alten Welt.

So viele Dinge spielen in das Thema Preis hinein, dass uns der Kopf schwirrt. Zum Beispiel, dass „Solo-Selbstständige“ so wenig Verständnis haben und Menschen glauben, dass 1.000 Euro Honorar für einen Tag so viel Geld sind. Dass die Hälfte davon ans Finanzamt und die Krankenkasse geht, dass Vor- und Nachbereitung inbegriffen sind, dass sie die An- und Abreisezeit nicht vergütet kriegen, das wird meistens nicht besprochen. Sollten also wirklich alle dasselbe Honorar erhalten, egal ob sie davon leben oder es im Nebenerwerb stattfindet? Oder dass wir so verwoben sind mit den Interessen unserer Unternehmen, dass kaum jemand die oberste Preiskategorie wählt, selbst wenn sie aus Unternehmen mit Millionen Umsatz entsand werden. Irgendwie toppt – wenn wir nicht drüber nachdenken – nicht selten die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen die zwischenmenschliche Gerechtigkeit. Dass wir uns in der Seminarlandschaft ganz viel in einer Mehrklassengesellschaft befinden, was sich zeigt an der Buchung von Einzelzimmern oder Zeltplätzen, ob die Menschen nebenher noch Dienstleistungen erbringen wie putzen oder kochen u.ä. Für einige ist eine Seminarbuchung einfach mal eben so nebenher entschieden, andere sparen ewig und müssen auch vor Ort noch hart arbeiten. Und irgendwie erscheint das doch den meisten gerecht, man muss ja was leisten, wenn man was kriegt. Nur dass eben Geld zahlen, wenn es woanders nicht dringend gebraucht wird, überhaupt keine Leistung ist. Und dass wir vor lauter Politisierung von Fragen rund um Bürgergeld u.ä. überhaupt keinen emotionalen Bezug dazu haben, wie es sich anfühlt, wenn Geld wirklich knapp ist, wenn Teilhabe am kulturellen und somit auch freiwilligen Bildungsleben nicht vorgehen ist (wie bei über 30% der Alleinerziehenden z.B.). Wenn wir uns einfach zu Bewusstseinsseminaren anmelden können, sind wir privilegiert, doch das fühlt sich für die wenigsten von uns wirklich so an.

Wir bleiben dran. Wir können als ARLINA das Wirtschaftssystem (zunächst) nicht ändern, doch eine Kultur befördern, in der wir über Geld und Gerechtigkeit sprechen und kollektive statt individuelle Lösungen finden. Wir können miteinander experimentieren und lernen und vielleicht finden wir ja unterwegs dann doch die einfache systemische Lösung. Dann schlagen wir uns an die Stirn und sagen „man, wie systemblind waren wir, ist doch ganz offensichtlich, dass wir das nicht sehen konnten.“ Auf den Moment freuen wir uns heute schon.